Die Familie Lenz/Lentz
Der dtv-Sprachatlas nennt den Namen Lentz nicht. Der Name gilt aber m. W. allgemein als von dem christlichen Vornamen Laurentius über Lorentz abgeleitet.
Die Familie Lenz war für mich der Auslöser zur Erstellung eines Familienbuches von Lindes. Groß war meine Freude zu Beginn meiner Beschäftigung mit meinen Vorfahren, als ich auf Kopien aus einem 1908 erstellten Buch von Herrn H. Kypke stieß, in denen die Linneser Lenz, die vielfach für mich Vorfahren sind, in direkter Linie auf einen Nanno de Lensyn, Ritter in Mecklenburg, gelebt 1199-1262 zurückgeführt werden.
Groß war dann die Enttäuschung, als ich, ausgehend von diesen „Stammtafeln“, die Originaleinträge zu meinen Vorfahren im Kirchenbuch abschreiben wollte. Auch in der durch Kirchenbucheinträge genau zu belegenden Zeit stimmte sehr vieles nicht. Z. B. hatte ein Johannes Lenz, der nachweislich mit 3 Jahren starb, im Buch eine ganze Menge Kinder.
Erste Hinweise, daß bei meiner schönen Ahnentafel nicht alles mit rechten Dingen zuging, erhielt ich dann von Herrn Johann Bayer, Butzbach, und bald darauf von Frau Elisabeth Lenz, Lollar.
Dann reifte auch bald der Entschluß, alle Kirchenbücher nach Familien zu ordnen. Bei sehr häufig gleichlautenden Namen der Väter und fehlenden Mutterangaben war wohl nur dadurch „Ordnung zu schaffen“.
Für die Familie Lenz/Lentz
beginnen deshalb die Eintragungen mit Johannes
Lentz, der durch die Akten des Centgerichts Lindes vielfach nachweisbar und
recht gut mit Daten belegbar ist.
Anno 1616 Im Herbst
gibt es u.a. folgende Rügen, die jeweils mit 14 Thornus bestraft werden:
Johannes Lentzen Jung vfm
brande in Cloß Weigelß gerste d(er)
Jung geschlaffen.
Johann Eckhardts Dochter Elisabedt vfm brande mit 3 Kühen in Johanneß
Lentzen Trisch.
Johanneß Lentzen 3 Pferdt
In Baptistian Kirchen(?) wissen beim Schlage Nacht Vmb 11 Uhr.
Hier wissen wir schon, daß Johannes Lentz recht vermögend ist, da er 3 Pferde besitzt. Das „Jung“ im 1. Eintrag muß nicht einen Sohn meinen, es bedeutet eher „junger Knecht“.
Aus einer am 7.4.1619 eingereichten Klage von Bastian Hardt aus Gießen gegen Philips Schmidt anhier (von Lindes) erfahren wir dann gleich mehr. Aus dem schwer lesbaren Eintrag habe ich folgendes eindeutig entnehmen können: Philips Schmidt [1617 bei weitem der reichste Einwohner von Lindes] kauft am 12(?).5.1612 eine Wießen oder driesch im Cent gelegen im Wert von 100 fl [muß dann sehr groß gewesen sein], die wohl in Raten bezahlt werden soll, z.B. Martini ao 1613, und wohl 1619 immer noch nicht voll bezahlt worden ist.
Vnder deßen Vbergibt Philips Schmidt solche von Vnß erkaufte wießen seinem dochter man Johannes Lentzen.
1625 reicht Philips Schmidt eine Articulirte Schmee Klag [etwa: Klage gegen üble Nachrede] gegen seinen Schwiegersohn Johannes Lentz ein, ohne daß die verwandtschaftlichen Verhältnisse aber benannt werden. Daraus ist zu entnehmen, daß Johannes Lentz behauptet haben soll, Philipps Schmidt habe einen Mahrstein zwischen ihren Grundstücken Außgehoben vnd anderwerdts gesetzt.
Noch mehr über Johannes Lentz erfahren wir aus einem weiteren Prozeß, der über mehrere Jahre geführt wird, diesmal zwischen Philipps Schmidt und Georg Eckhardt et consortes.
Hier sagt Johannes Lentz am 22.9.1631 als erster Zeuge aus.
Bei der „Personalienfeststellung“ sind folgende Fragen und Antworten
notiert:
1) Erstlichen Wie
Zeuge mit seinem dauffe vndt Zunahmen heiße und who ehr wohne.
1) Sagt Johanneß
Lentz und wohne zum Lindis.
2) Waß ehr sich
Nehrre Vnd wie Reich er vor sein Persohn sey.
2) Sey ein Ackermann,
vngefehr ---- 1000 fl [Gulden] Reich.
3) Wie Aldt er seii
Vndt wie lange Ehr seii Ehelichen geweßen.
3) Sey Vngefehr 50
Jar Aldt, sey Vngefehr 31 Jar Im Ehestandt geweß(en).
4) Ob er auch in
einigerley Acht geweßen oder noch seii.
4) Sagt weiß von
Nichts.
Fragen und Antworten stehen jeweils auf verschiedenen Seiten, Frage 8:
8) ob Zeuge dem
Clager oder dem Beclagten mit Eydamß, Sipschafft, Schwagerschafft oder gefallenschafft verwand oder Zugethan seii.
8) Andtwordt deß
Cleg(ers) Eydam sey er. den (dem?) B: [Beklagten] gehör er Nichts Zur
mittfreundschafft Schwegerschafft od. Gevatternschafft, Zugethan Allein
Jorg Eckardts.#
Ab dem Wort Allein
ist mit anderer Tinte geschrieben, zum #
steht am Rand:
# Schwester hab
seinen Eldesten Sohn zur Ehe.
Nach diesen Angaben ist Johannes Lentz um 1581 geboren und hat 1600 Anna, Philips Schmidts Tochter, geheiratet. Der Eldeste Sohn muß demnach der err. in 1600 geborene Sohn Hanß/Johannes sein, der 1631 in die Leibeigenbeedeliste eingeschrieben wird, mit Catharina Eckardt verheiratet ist, und am 5.10.1690 mit 90 Jahren stirbt. Diesem Hans Lentz, der den gesamten 30jährigen Krieg erlebt hat, konnte zuerst nur eine Tochter sicher zugeordnet werden: Catharina. Diese wird am 14.4.1640 in Gießen getauft Es war wohl ganz Lindes wegen der schwedischen Kriegsgreuel dorthin hinter den Wall geflüchtet. Sie heiratet 1660 Johann Melchior Andermann. In den Ahnentafeln von Frau Elisabeth Lenz, Lollar, Herrn Helmut Jung, Lützellinden, und anderen hat Hanß Lentz immer noch einen Sohn namens Johann Balser/Balthasar, geb. err. 29.7.1635, oo 14.02.1659 Elisabeth Catharina Dern, # 29.10.1701 mit 66 Jahren, 3 Monaten. Im sogenannten Kirchenbuch 2 in Großen-Linden, das nach meiner Meinung private genealogische Notizen von Pfarrer Hoffmann nach dem ihm noch vorliegenden Protocollum des Pfarrers Vigelius darstellt, wird aber bei der Heirat des Balthasar Lenz am 14.02.1659 als Vater J. Casp. genannt. Dieser Johann Caspar Lentz ist nirgends zu finden! Wenn es ihn gegeben haben sollte, müßte er dann wohl auch ein Sohn von Johannes Lentz sein; ich denke aber hier langsam eher an einen Schreibfehler von Pfarrer Hoffmann, da er in seinen jetzt in Echzell liegenden Notizen, die dank der persönlichen „Kurzschrift“, übrigens der gleichen wie im KB 2, sehr schwer lesbar sind, niemals einen Johann Caspar Lenz nennt. Dort ordnet er dem Lenz Joh [unserem 1581 geb. Johannes Lentz] die Söhne Joh Lenz; Melch Lenz und Peter Lenz zu. Dem 1. Sohn Joh [Hans Lentz] ordnet er Balth und Ph. Lenz als Söhne zu.
Nach „Wiederauffinden“ des Protocollum Vigelii konnte der Eintrag von Pfarrer Hoffmann wiederlegt werden. Dort wird eindeutig Hans Lentz als Vater von Balthasar Lentz genannt!
Kommen wir nun wieder zurück zu den weiteren Kindern des Johannes Lentz.
Gesicherter Sohn ist Johann(es) Philipp, der am 4.12.1649 in Gießen als Johannes Lentzen zu Lindes nachgelassener Sohn (Information von Frau Lenz) die Anna Catharina Kitsch heiratet, und sein weiteres Leben als Fuhrmann in Gießen verbringt. Im Familienbuch Gießen, 2379, sind 8 Kinder dieser Ehe eingetragen. J. Philipp wird am 10.10.1667 in Gießen begraben.
Gesichert ist auch eine bisher namenlose Tochter von Johannes Lentz, die 1636 vom Centgericht gerügt wird.
Als weiterer Sohn ist Melchior eingetragen, der 1629 bei Stumpf (1628 in) und 1633 und 1635 in den Centgerichtsakten genannt wird (seine Magd steht auf den Rügenzettel des Flurschützen). 1640 wird er bei Stumpf nicht mehr genannt, Kinder sind keine bekannt.
Frau Elisabeth Lenz, die mich des öfteren auf Zusammenhänge bei den frühen Linnesern und insbesondere bei den Lentz hinwies, vermutet, daß er im Krieg, vielleicht 1640 durch die Schweden, umgekommen ist.
Peter wird als letzter Sohn dem Johannes Lentz zugeordnet. Von diesem sind 6 Kinder nachweisbar, aber zu ihm selbst gibt es kein sichers Datum. Am 28.8.1657 spricht er zum letzten Mal um eine Taufe bei Pfarrer Vigelius an. Im Centgerichtsbuch ist schon in der Liste der Centner vom 4.10.1655 hinter sein Name das Wwe. in anderer Schrift gesetzt. Nach dem KB 2 stirbt am 14.12.1659 sein Söhnl. Balthasar ohne daß es als hinterlassen bezeichnet wird. 1660 wird bei Stumpf Peter Lentzen Witwe Elisabeth genannt.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß der erste
urkundlich faßbare Lentz in Lindes ein Johannes Lentz war. Warum er 1617 in der
Wallsteuerliste trotz seines schon, mindestens durch seine Heirat, beträchtlichen
Vermögens, nicht genannt ist, bleibt unverständlich. Es sei denn, man nimmt
an, wie wiederum Frau Elisabeth Lenz vermutet, daß er sich in dieser Liste
hinter dem Namen Joisten Hans
versteckt. Für diesen sind 344 Gulden Vermögen
eingetragen.
Da Joisten Hans, wie durch die Centgerichtsakten sicher nachweisbar ist,
aber mit Junghanß oder Hanß Jung identisch ist, ist er der
Vorfahre der Familie Jung. Es ist deshalb unwahrscheinlich, daß er auch
der Vater von Johannes Lentz ist.
Da Johannes Lentz im frühen 17. Jahrhundert er der einzige Vertreter seines Namens in Lindes ist, können ihm mit einem gewissen Recht auch die beiden Söhne Melchior und Peter als wahrscheinlich zugeordnet werden.
Im Familienbuch Allendorf/Lahn wird der Müller Johannes Lentz
von der Mittelsorger Mühle als Stammvater aller Linneser Lenz angegeben, wohl
übernommen von dem obengenannten Herrn Kypke. Er soll 1560 geboren und 1640
gestorben sein; er stiftete ein Messingtaufbecken, das seit 1637 ununterbrochen
benutzt werde in Allendorf. Dieser wird bei Stumpf erstmalig 1629 genannt: Johannes
Lentz u. Gertraud, „hatt vff 12 Jahr in der Ehe gesessen“; 1640: Joeß
Lentz u. Gertraudt; sein Kriegsschaden beträgt 1640 8 Gulden. Auch 1660 wird
ein Johannes Lentz in Allendorf genannt.
Bisher war keinerlei wirklicher Zusammenhang mit den frühen Lindeser Lentz feststellbar, es erscheinen auch niemals Paten namens Lentz aus Allendorf in Lindes. Erst viel später übernimmt ein 1706 in Lindes geborener Johannes Lentz die Mittelsorger Mühle in Allendorf.
Die Lentz sind bis heute sehr zahlreich in Lindes, auch
gingen viele „prominente“ Vertreter aus der Familie hervor. Ebenso waren die
Lentz immer in allen kirchlichen und gemeindlichen (Ehren)ämtern vertreten.
In einem kleinen Buch „Der
Klein=Lindener Lenz=Zweig“ von Emil
Ludwig Weigel ist der Brief des „Abgeordneten
Ludwig Lentz 1820 an den Großherzoglichen Schultheiß Klein-Linden, Stadtamt
Gießen“ abgedruckt, den dieser „Darmstatt
den 8 ten November 1820“ schrieb.
Das Buch nennt auch als Nachkommen des Klein-Lindener Stammes: „Pfarrer Otto Lenz in Darmstadt und sein Sohn Dekan H. F. Lenz in Münzenberg sowie der Hofjuwelier Christian Lenz in Darmstadt und seine Söhne in Darmstadt, Berlin und Köln.“
In dem Buch wird auch berichtet, daß es seit Oktober 1975 Familien-Treffen der Lenz gibt; auch ein Sippen-Lied ist abgedruckt.