Die Familie Jung.

Der dtv-Atlas Namenkunde ordnet den Namen Jung unter die Übernamen nach körperlichen Eigenschaften ein.
Bei der Häufigkeit der Familiennamen in der BRD stand der Name Jung um 1970 an 44. Stelle.
Auch in unserer Gegend kommt der Name wohl in jedem Ort vor.

In Linnes wird der Name Jung  in der Einwohnerliste (Lindeß-Leibeigen-Beede) erstmalig 1629 genannt. Dort gibt es dann schon 2 Familien dieses Namens:
Conradt Jungen Fr. Elisabeth
Jacob Jungen Fr. Maria

In der nächsten Liste von 1640 sind die Nennungen zu Jung identisch, Jacob Jung erleidet 1640 ein Kriegsschaden von 4 Reichstalern. 1660 werden genannt:
Conrad Jung u. Enchen
Jacob Jungen Fr. Maria

In der Wallsteuerliste von 1617 wird kein Jung genannt.

In den Centgerichtsakten zu Lindes wird 1615 ein verstorbener Jung Hanß erwähnt:
CGA,II,83: 1615 Jung Hanßen Erben.
CGA,II,88: 21.9.1615:  Reinhardt Schmidt & Melchior Wormbser von Gießen prozessieren gegen Jung Hansen Hinder lassen Erben wg. einem Ackertausch ihrer schwegerin Margred.  8.10.1616: Jacob Jung zum Lindiß Clagt sein zweyt Gericht uff Reinhard Schmidt, burger in Giessen ..
Nach diesen Einträgen in den CGA kann sicher davon ausgegangen werden, daß Hanß der Vater von Jacob Jung ist. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist er auch der Vater von Conradt Jung.

Während bei Jung Hanß nicht der Wohnort angegeben ist, heißt es bei Jacob Jung zum Lindiß, er wohnt also in Linnes.
Er war Kirchensenior, Centgerichtsschöffe und Opfermann.
1658 verweist Pfarrer Vigelius wegen eines Erbfalls Anfragende an Jacob Jungs Witwe, ob er als Opfermann etwas notiert habe.

Beim weiteren Abschreiben der Akten des Centgerichts Lindes fiel dann auf, daß ab ca. 1580 immer mal wieder ein Junghans genannt wurde, der eindeutig in Lindes wohnte.
Wo aber blieb dieser Junghans in den Listen der Centner, die von 1578 bis 1588 aus mehreren Jahren erhalten sind?
Warum tauchte er in diesen Listen nicht auf?
Ebenfalls war die Frage, warum kein Jung in der Wallsteuerliste von 1617 genannt wird, noch unbeantwortet.
Aufklärung brachten dann die Akten des Jahres 1596 und zwar zur Gerichtssitzung im Herbst.
Hier findet sich im Rügenzettel des Centschützen der folgende Eintrag:
Junghansen 2 Pferde haben Hanß Anck(en)[= gestrichen; darüber:] Klanschuch vf d(er) Lohn in Erbeiß Hauß(ten) gegang(en), 
  Idem Pferde haben Jorge Kausen hinseids d(er) Hege In d(en) Wissen gegang(en), lagk d(er) Jung vnd schliff 
 
Die zwei Rügen für die beiden obigen Feldfrevel erhält: Josten Hans!
Damit war sicher, daß Junghans und Josten Hans eine Person sind.
Dieser erscheint dann auch 1617 als Joisten Hans in der Wallsteuerliste. Er ist zwar, nach den Centgerichtsakten, 1617 schon verstorben, aber die Familie wird noch unter diesem Namen zur Steuer veranlagt.

Vom Namen her ist Josten Hans sicher ein Sohn von Ludwigs Jost, der 1565 in den CGA als Einwohner von Linnes genannt wird.
Dieser wiederum dürfte ein Sohn von Wiegels Ludwig sein, der 1502 bei Otto Stumpf in der ältesten erhaltenen Steuerliste von Linnes als Ludwig  wiegeln Sone erscheint. Sein Vater hieß dann einfach nur Wiegel.
So kann nach den CGA davon ausgegangen werden, daß der Familiename Jung auch in Linnes "neu" entstanden ist und daß die Linneser Jung zu einer Familie gehören, die schon 1502 hier lebte.
Nun wieder zu den Namensvertretern nach 1600:

Von dem 1629 und 1640 genannten Ehepaar Conrad und Elisabeth Jung gibt es keine bekannten Nachkommen.
Jacob und Maria Jung haben 3 gesicherte Kinder:
Dazu finden sich im Protocollum Vigelii diese Einträge:
oo: (Prot. Vig.): den 3. 10br.(1656) Conrad, Jacob Jungen s. sohn von Lindes, mit Anna, Johannis Neidels tochter von Heuchelheim weinkauf getruncken.

den 15. Jun. (1666) spricht mich Baltzer Weigel Zu Lindes an, künftig Sonntag (17.dieses) Johann-Georgen, Johann Wellers sohn von Heuchelheim, und Agnesen, Jacob Jungen s. gewesenen Senioren und CentgerichtsSchöpfen Zu Lindes hinderlassene tochter, weinkäuflich Zucopuliren.
den 17. Jun. habe ich zu Lindes Johann-Georgen, Johann Wellers sohn von Heuchelheim, und Agnesen, Jacob Jungen s. tochter Zu Lindes, auf ihrem weinkauf daselbst copuliret. Hielte Sermon aus 1. Corinth. 7. v. 29.30.31. war sambt meiner Haußfrauen, auch bey der mahlZeit denselben tag.

Zum 3. Kind finden sich folgende Einträge:
oo (KB 2 Gr-L): Henrich, Jacob Jung, Senioris u. Cnt.G.S. fil. rel &  A. Eulalia, Phil. Langsdorf, Schulth. zu Leigest. fil. rel.
+/# (Prot. Vig.): Eod. (14.12.1672) spricht mich Joh. Reichard Bach an, morgen Henrich Jungen Zu Lindes, der gestern die nacht, zwischen dem 12. und 13. dieseß gestorben, ungefehrlich ümb 2. uhr, dz es seine fraue nit gewahr worden, auch wegen Kriegsunruh und gefahr keine uhr geschlagen, die Leich Predigt Zu halten.

Die drei Kinder des Jacob Jung machen also alle eine „gute Partie“, müssen aber selbst auch ziemlich begütert gewesen sein. Die beiden Söhne Conrad und Henrich, die beide in Linnes leben, sterben sehr jung. Ihre „auswärtigen“ Frauen heiraten beide in Linnes erneut. Anna Eulalia sogar noch zweimal. 

Nur Henrich Jung & Anna Eulalia, geb. Langsdorf, haben männliche Nachkommen, die den Namen Jung in Linnes weitergeben.
Bis auf die Nachkommen von Johann Georg Jung I., der 1824 in Rodheim an der Bieber geboren wurde und nach Linnes einheiratete, und dessen Vorfahren die Hirschwirte in Steinberg waren, haben meines Wissens alle Linneser Jung-Familien Henrich Jung und Anna Eulalia, geb. Langsdorf, als Vorfahren.

Über die Mutter der Anna Eulalia Langsdorf, Schultheißentochter aus Leihgestern, haben alle Linneser Nachkommen dieses Paares übrigens gemeinsame Vorfahren mit Johann Wolfgang von Goethe. [Hinweis von Helmut Jung, Lützellinden.]

Zu Henrich Jung gibt es noch einen schönen Eintrag von Pfarrer Vigelius in seinem Tagebuch:
den 26. Julii (1657) habe ich angekündiget, über 8.tage das H. Abendmahl Zuhalte(en).
Zu Lindes Henrich, Jacob Jungen S. sohn, und Johann Jacob(en), Baltzer Weigels, so das gebet wider die Zauberey, von mihr ab= und ihnen vorgeschrieben, dz sie es ferner abschreib(en) und lernen solt(en), verlohren, und in der Kyrch sich darumb zankten, iedem eine maulschelle gegeben.

Die Jung sind längere Zeit in Linnes nicht ganz so zahlreich vertreten, wie etwa die Weigel und Lenz, werden aber später zu der Familie, die zeitweise die meisten Namensvertreter in Linnes hat. 
Im Telefonbuch gibt es mindestens 38 Einträge zu Jung in Linnes.

Die Jung sind auch in allen „politischen“ und kirchlichen Ehrenämtern als Kirchensenioren, Centgerichtsschöffen usw. zahlreich vertreten. Die alte Fuhrmannsherberge „Zum Adler“ war lange in ihrem Besitz.

Johannes Jung, 26.03.1755-22.07.1807, war z. B. Schultheiß, Centgerichtsschöffe und Adlerwirt. Hier muß dann irgendwann der alte Dorfname Aodlerwirts entstanden sein.

Um 1850 war die Familie Jung schon soweit verzweigt, daß wiederholt Ehen Jung/Jung zu verzeichnen sind.

Auch die Frau des Schreiners, Holzhändlers und Kirchenvorstandmitgliedes Johann Caspar Jung IV., 19.04.1825-10.11.1894, war eine geborene Jung. Er ist als Gründer der heutigen Holzhandlung Jung anzusehen,  der ersten größeren Firma in Linnes.

Ein Bruder von ihm war Friedrich Jung I., 31.08.1834-10.04.1926, genannt  Schulfriedrich. Dessen Sohn aus 2. Ehe Karl Jung, 17.02.1874-04.01.1940, gründete das Bauunternehmen Jung.

Ein Sohn des Schulfriedrich aus 1. Ehe, Fritz Jung, wanderte in die USA aus.

Blättern Sie doch einfach mal im Familienbuch Linnes. Sie werden noch viele andere interessante Jung finden.