Die Familie Andermann
Der dtv-Atlas Namenkunde enthält den Namen Andermann
nicht.
Erwähnt wird der Name Angermann
bei den Namen, die nach Wohnstätten gebildet sind.
Ich habe keine Vorstellung, wie der Name „Andermann“ entstanden sein könnte.
Herr Professor em. Dr. Hans Ramge schrieb mir dazu:
Andermann ist mit ca. 8 Telefonaschlüssen im Raum
Gießen selten vertreten. Sein Vorkommensschwerpunkt liegt in Niedersachsen, im
Kr. Nienburg (südl. Bremen), mit 41 TA (geogen). Die meisten Andermanns wohnen
in Norddeutschland, aber es gibt auch eine Reihe südlich davon bis nach Bayern.
Deshalb bin ich nicht sicher, ob der Name nur im Weserraum entstanden ist oder
vielleicht auch an dem einen oder anderen (!) Ort.
Die Familie Andermann
erschien mir zuerst als die am schlechtesten dokumentierte Familie von allen alten Familien,
die zu Beginn der KB, um 1652, in Lindes lebten.
Durch die Auswertung der Centgerichtsakten Lindes und der Vogteigerichtsakten
Allendorf wurde die Familie aber dann, neben den "Eckhardt", zu
der Familie, die am weitesten zurück in Lindes durchgängig belegt werden kann.
Aus den KB erwiesen ist Johann
Melchior Andermann, der am 23.5.1660 in Lindes die Anna Catharina Lentz
copuliert. Als Vater wird im KB 2, einer späteren Zusammenstellung von Pfarrer
Hofmann nach den Vigelius Tagebüchern, Johannes Andermann angegeben.
Von Johann Melchior Andermann sind mindestens 4 verheiratete Söhne
und 2 verheiratete Töchter bekannt; mindestens ein Sohn und eine Tochter sterben
als Kinder.
Johannes Andermann wird bei Stumpf nicht genannt in Lindes, aber 1639 in der Kriegsschadensliste von Heymann.
In den Akten des Centgerichtes Lindes wird mehrfach Dönges Andermann genannt, einmal: Johannes Dönges oder Dönges Andermann.
Die weiteren Auswertungen
ergaben dann, daß es eindeutig nur eine Person gab, die wechselweise
Johannes Dönges, Johannes Andermann oder
Dönges Andermann genannt wurde, und daß dieser "Vielbenamte" ein Sohn
der sehr früh, vor dem 29.02.1584, verwitweten Donges Anna gewesen
ist.
Er stirbt am 19.10.1659 in Linnes. Der Eintrag im Tagebuch des Pfarrers Vigelius
lautet:
den 19. 8br. (1659) spricht Johannes Neidel von Lindes an, morgen Thönges
Andermann, so diesen morgen zwischen 2.und 3.uhrn gestorben, LeichPredigt
Zuhalten. Ist heut 8. tage Kranck war 81. oder 82. Jahr ungefehrlich alt.
den 20. 8br. (1659) habe ich Thönges Andermann Zu Lindes LeichPredigt gehalten
aus Ecclesiasta II.v.8. Secund Bidemb. gab mihr gev. Johannes Neidel 15.alb. vnd
habe ich den 23. hernach mahlZeit mit ihnen gehalten. DarZu auch noch am letzten
meine Hausfraw von Giessen her kam.
Er ist demnach um 1578 geboren.
Er scheint spät geheiratet zu haben, denn er wird in den Centgerichtsakten noch
1628 Johannes, Dongiß Annen Sohn, genannt. Sogar 1630 und 1633 ist
noch von Dongiß Annen Sohn die Rede.
Dies erklärt dann auch, warum er 1629 in der Einwohnerliste von Lindes noch
nicht mit eigenem "Rauch" (Hausstand) genannt wird. Warum aber Donges Anna nicht
wieder genannt wird, bleibt ungeklärt.
Die Vermutung, daß er identisch sein könnte mit dem nur 1629 in Lützellinden
genannten Döngeß Andermann, und vorübergehend in Lützellinden gelebt hat, konnte
bisher nicht bewiesen werden; wird durch die fortlaufende Nennung in den CGA
auch eher wiederlegt.
Von Johannes Dönges Andermanns Frau ist bisher noch nichts
bekannt.
Außer dem Sohn Johann Melchior ist noch die Tochter Anna
bekannt, die Johannes Neydel aus Heuchelheim heiratet, aber mit
ihm in Linnes lebt.
Donges Anna erscheint in der Wallsteuerliste von 1617 in Linnes
mit einem Steuervermögen von 376 Gulden.
In den Listen der Centner aus Lindes, die Grundstücke im Bann des Centgerichts
Lindes haben, erscheint sie schon 1581 als Petters Johannes
dunges w(itwe), wobei das "Witwe" später nachgetragen ist. Als
Peters Johannes Donges Witwe erscheint sie in allen Listen bis 1588;
später wird sie bei Rügen am Centgericht auch einfach nur Donges Anna
genannt.
Donges Anna, aller Wahrscheinlichkeit nach eine Tochter von
Peter Christen in Leihgestern, (nach Akten des Vogteigerichts von
Montag nach Quasimodogeniti 1583 lebt ihr Mann, Hanns Donges Zum
Lindes genannt, zu diesem Zeitpunkt noch und vertauscht sofort sein
durch sie ererbtes Vogtgut mit seinem Bruder Hanns Peder zu Leygestern)
war eine relativ begüterte Witwe in Linnes und es bleibt unklar, warum sie nicht
wieder geheiratet hat. Sie wird bis 1635 in den Centgerichts-Akten genannt.
Der früh verstorbene
Peters Johannes Donges ist mit Sicherheit ein Sohn von Peters
Johannes, der in den Centgerichtsakten 1558 und 1574 in zwei Prozeßen
und 1564 und 1565 bei den Gerügten genannt wird. In der ersten erhaltenen Liste
der Centner von 1578 wird er nicht mehr genannt.
1581 erscheinen in den Listen dann seine Söhne Peters Johannes dunges
(Witwe, nachgetragen) und Peters Johannes Peter in Leihgestern,
der dort bis 1588 als Center des Centgerichts Lindes genannt wird. In den
Einwohnerlisten bei Stumpf und im Vogteigericht Allendorf, siehe oben, wird er
Hanns Peter oder Peters Hanß genannt. Möglicherweise
nennt er sich später, ab 1594, Peter Andermann. Dieser wird nur
bei Dr. Faber nach den Kirchenkastenrechnungen in Leihgestern genannt wird.
Peters Johannes hat noch eine Tochter Enchen, die
mit Josten Hanß verheiratet war, aber auch am 29.02.1584 schon
verstorben war. Auch Peter zum Lindes, der am 13.08.1584 in Gießen
begraben wird, und Bürger in Gießen war, wird als Bruder von Josten Hanßen
verstorbener Frau Enchen und von Donges genannt, muß also auch ein Sohn Peters
Johannes sein. Der ebenfalls ab 1581 genannte Petters Enders, der
ab ca. 1583 auch in Leihgestern lebt, ist vmtl. auch noch ein Sohn von Peters
Johannes.
Peters Johannes
ist 1558 als Erbe des verstorbenen Petter Andermann Beklagter in
einem langen Prozeß, in dem es um die Rückgabe von geliehenem Centgut an die
Erben von madeß bieraug in gießen geht. Das Centgut war
anscheinend siebenzig Jahre verliehen und nun wollen es die Erben aus
Gießen wieder selbst in Besitz nehmen. Es läßt sich aber nicht mehr, oder
zumindest nicht sofort, feststellen, wie groß es war und wo es genau lag.
Dabei beschwert sich Petters Johanneß erfolgreich, daß er allein
Beklagter ist, da das Erbe von Petter Andermann doch gütlich
zwischen ihm und seinen geschwistern vndt schwegern aufgeteilt wurde;
einmal ist von 3 weiteren Erben die Rede.
Demnach ist aber Petter
Andermann, der 1558 schon verstorben war, der Stammvater der
Andermann.
Die Geschwister seines Sohnes Petters Johanneß konnten noch nicht
festgestellt werden.
Der Name Andermann verschwindet dann erst einmal, scheint aber in
Erinnerung geblieben zu sein, denn nach zwei Generationen, in denen die Namen in
der alten Form, an das noch heute in Island gültige Namensrecht erinnernd,
gebildet werden (Petterß Johanneß als Sohn von Petter
Anndermann und als Vater von Peters Johannes Dunges),
benutzt Donges Johanneß als Sohn von Peters
Johannes Donges den Namen Andermann wieder.
Bei Stumpf, Seite 287, wird in der Leibeigenbedeliste
1629-1634 in Lützellinden Döngeß
Andermann, Heimburger, genannt. Sonst gibt es keine
Andermann
in den Steuerlisten von Lützellinden.
Stumpf, Seite 237ff, nennt in Leihgestern erstmalig 1620 Peter
Andermann. (Der Vorname Peter ist auch bei den Linneser Andermann recht
häufig und es kann als relativ sicher angenommen werden, daß diese Familie aus
Linnes stammt.)
1629-34 wird wieder kein Andermann in Leihgestern genannt, 1640 Christ
Andermann 2x ,1x lg.
1660 werden
Christ
&
Johann Peter Andermann genannt.
Diese Andermann nennt auch Dr. Faber in Leihgestern, wobei er eine
Generationenfolge von Peter I. über Christ I. und Christ II. zu Peter II. angibt.
Des Letzteren Sohn Johann Adam, Kirchensenior, wurde am 25.03.1659 in
Leihgestern getauft.
Das Hüttenberger Namensbuch von Heinz-Lothar Worm brachte
auch keine weitergehenden Erkenntnisse.
Das FB Gießen von Otto Stumpf nennt keine Andermann, ich
habe auch keine bei den Auswärtigen gefunden.
Bei Friedel Lerch "Die Giessener Familiennamen bis 1600" findet sich der Name
Andermann nicht. Dies hat mich in der Annahme bestärkt, daß der 1558 ohne
weitere Herkunftsbezeichnung genannte Petter Andermann in Lindes gelebt hat. Zu
allen anderen Orten, aus denen Centner des Centbanns Linnes kamen, gibt es im
16. Jahrhundert die Steuerlisten bei Otto Stumpf.
Die Linneser Andermann
waren lange ziemlich zahlreich, meines Wissens ist der Name heute in
Linnes ausgestorben, existiert aber weiter als Dorfname.
Das Telefonbuch Gießen nennt noch einen Andermann in Gießen
und einen in Lützellinden.
In Linnes waren die Andermann immer wieder Soldaten. Erstmalig wird Balthasar Andermann, Johann Melchiors Sohn, beim Tod seiner Frau am 6.4.1708 (#) als Militz Soldat bezeichnet, leider ist der lange Eintrag im KB 1 Großen-Linden kaum zu entziffern. (Ich bin jedem dankbar, der mir diesen Eintrag vollständig entziffern kann). Ein Versuch:
den 6t. April ließ Johany balthasar andrmany Ein Lidrlr (liederlicher) u. v(er)soffner u. aus Landaw(oder Landau) gelaffner Militz Soldat, auch groser V(er)ächter gottes worts u. seiner Heil. Sacrament, die Er in 8. od. 9. Jahr schändl(ich) v(er)achtet und nicht sond(e)rl(ich) S. Colran(???) darinnen gwieß(en) woll(en) widr all Ermahnung daZu, sein weib Catharinam begrab(en). so _____ (leer) Jahr alt geweß(en).
Auch der erste Andermann, der für mich direkter Vorfahre ist, Johann Henrich, 1746-1824, war Musketier im Leibregiment in Pirmasens. Wenn sie hier klicken, können Sie seinen Urlaubs-Pass ansehen, der am 26. Mai 1777 in Pirmasens ausgestellt wurde, und der ihn berechtigte, nach "Klein Linnes" zu reisen.
Die Andermänner, die außer der Landwirtschaft bevorzugt das Schreinerhandwerk ausübten, scheinen des öfteren schon mal widerspenstig gewesen zu sein.
Ein
Andermann
wird 1719 auf Consistorial Befehl zu
Lindes aufgesucht und alß Er zur Stelle gebracht worden ist Er als bald in
seinem Kittel mit ... im beysein
des Hn. Ambtsschultheißen und derer Vorsteher copuliert worden.
Seine Frau
leistet am 23.08.1720 Poenitenz, er aber
ihr Mann bleibt widerspenstig und leistet erst am 29.11.1720 seine Poenitenz.
Ein
weiterer Andermann
versucht 1838 einen nett-dreisten Betrug, der zu folgender Randnotiz im
Kirchenbuch führte: Das hier neben
stehende Protokoll mußte wegen einer vom Vater des Kindes gemachten und am
Schlusse entdeckten falschen Angabe in Beziehung auf die Mutter und deren Verhältnis
zu ihm für ungültig erklärt und auf der nächstfolgenden Seite den wahren
Verhältnissen gemäß neu aufgenommen werden.
Er
hatte seine längst verstorbene Ehefrau beim noch neuen Pfarrer als Mutter eines
Kindes angegeben, das er in Wirklichkeit mit deren Schwester gezeugt hatte.
Aber auch ein Pastori Knecht und ein Ortsdiener sind unter den Andermännern zu finden.
M. W. bisher noch nicht vollständig erforscht sind die Nachkommen des 1711 in Linnes geborenen Johann Peter Andermann, der ab 1742 Müller in Emmershausen war, wo er auch am 13.12.1761 starb.